Erweiterungsbau Universität Witten/Herdecke

Nachhaltiger Lernort


Erweiterungsbau Universität Witten/Herdecke

Kaden+Lager, Berlin


Universitäten und Schulen sind Stätten der Bildung und des Lernens. Viele Einrichtungen sind in die Jahre gekommen und benötigen eine Sanierung oder müssen aus Platzmangel erweitert werden. Für eine zukunftsorientierte Forschung und Lehre müssen die richtigen Rahmenbedingungen in Form von modernen Gebäude geschaffen werden. Diese müssen den Bedürfnissen der Dozenten*innen und Studenten*innen angepasst werden. Eine Aufgabe für die ausführenden Architekten ist es dabei, eine Verbindung zwischen Bestands- und Neubau zu schaffen. Zudem treiben Universitäten mit Bauaufträgen für modulare Erweiterungen des Campusgeländes oder von Studentenwohnheimen die Entwicklung des seriellen Bauens voran. Die Vorteile sind kurze und kontrollierbare Bauzeiten sowie der Nachhaltigkeitsgedanke im Bezug auf die verwendeten Materialien und die anschließende Bewirtschaftung. Bei der Verwendung von Holz für Fassaden, Decken und Wänden wird ein nachwachsender Rohstoff verbaut, der zu einer positiven Energiebilanz beiträgt.

Schon seit über 35 Jahren ist die Universität Witten/Herdecke ein Bildungsort, an dem Studierende ihre unterschiedlichen Potentiale entfalten können, um später als wichtige Teile der Gesellschaft zu fungieren. Der Standort hierfür ist seit über 25 Jahren in der Alfred-Herrhausen-Straße 50 in Witten. Um der wachsenden Zahl an Studierenden und Beschäftigten weiter gerecht zu werden und die Qualität der Räumlichkeiten zu erhalten, ist neben dem Haupt-Campusgebäude ein Erweiterungsbau mit dem Namen „Zukunftsraum" entstanden. Dieser konnte am 1. Oktober 2021 feierlich eingeweiht werden – zu Gast war auch die amtierende Präsidentin der EU-Kommission, Frau Ursula von der Leyen. In rund 18 Monaten Bauzeit wurde der innovative Holz-Hybridbau pünktlich zum Beginn des Wintersemesters 2021/2022 fertiggestellt. Für die Architektur des Neubaus zeichnet das Büro Kaden+Lager aus Berlin verantwortlich, das bereits 2019 für den deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert wurde. Generalunternehmer für das Projekt war das Unternehmen ZÜBLIN Timber, das auf das Thema Holzbau spezialisiert ist und gemeinsam mit Kaden+Lager den universitären Wettbewerb gewonnen hat. „Wir sind stolz darauf, dass wir dieses zukunftsweisende Projekt zum nachhaltigen Bauen mit Holz federführend und erfolgreich realisiert haben und als Generalübernehmerin der Universität Witten/Herdecke ihren Neubau schlüsselfertig und termingerecht übergeben konnten. Der entscheidende Erfolgsgarant dabei war die partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Projekt-Team unserer Auftraggeberin und dem federführenden Architekturbüro Kaden+Lager, ebenso wie mit den beteiligten Teams der ZÜBLIN-Direktion NRW und des STRABAG-Bereichs Rhein-Ruhr“, erklärt Christian Scholz, Kaufmännischer Bereichsleiter der ZÜBLIN Timber GmbH.

INTEGRATION IN DIE BESTEHENDE BEBAUUNG

Im Dreieck zwischen Bochum, Dortmund und Hagen liegt Witten im Südosten des Ruhrgebietes, die Universität selbst ist durch die Nähe zum angrenzenden Pferdebachtal landschaftlich gut eingebettet. Der zentrale Neubau ist inmitten heterogener Bestandsbauten Bindeglied und eigenständige Campus-Mitte. Der Erweiterungsbau besteht aus einem Erdgeschoss, einem Hanggeschoss und zwei Obergeschossen. Er bietet Platz für eine Bibliothek, ein Café, sowie zahlreiche Seminarräume. Durch die Anordnung der kubischen Gebäudeteile ist nach Süden hin eine hangseitige Verschränkung mit der Parklandschaft und zur Straße hin ein neuer Campus Platz, dessen Rechteck vom Neubau zur Hälfte gefasst wird, entstanden. Mehrere im Erdgeschoss angesiedelte Gemeinschaftsorte verhelfen dem neuen Platz zu reger Betriebsamkeit und stärken die Verbindung zum Bestand, darunter das Café mit seiner Außenterrasse, der zentral gelegene Haupteingang sowie das Campus Forum und der Außenbereich des großen Veranstaltungssaals. Mit einer urbaner Geste animiert der Treppenraum Platz und Fassade zusätzlich: einsehbar von außen schrauben sich Studierende und Lehrende gemeinsam in die Obergeschosse. Die sogenannte Aorta, ein interner Hybrid-Raum zwischen Verkehrsfläche und Arbeitsbereich, dehnt sich in alle Gebäudeteile aus und entfaltet gemeinsam mit der Haupttreppe ein großes Potential zur Kommunikation, denn wichtige Ideen entstehen oft zwischen den Wänden.


HOHE AUFENTHALTSQUALITÄT

Kernstück des Erweiterungsbaus sind die neuen Arbeitsräume samt der zweigeschossigen Bibliothek. Die Arbeitsräume umfassen eine Vielzahl formeller und informeller Nutzungen, erlauben das Studium im Team sowie in Klausur und sind durch Holzoberflächen und viel Tageslicht besonders behaglich. Gleiches gilt auch für die Bibliothek und den Veranstaltungsraum. Beide gewinnen durch warme Oberflächen und gutes Raumklima an Aufenthaltsqualität. Durch Rücksprünge der oberen Etagen ergeben sich parkseitig Dachterrassen, die als zusätzliche Orte des Lernens dienen. Dabei wurden die Volumen so geschickt platziert, dass die Möglichkeit für zukünftige Erweiterungen nach Südwesten hin besteht. Der Neubau ermuntert die Anreise mit dem Fahrrad und bietet neben zwei barrierefreier Autoparkplätze mehrere hundert überdachter Fahrradstellplätze sowie eine Haltestelle des ÖPNV direkt am Campus Platz. Ein weiterer Baustein in eine klimafreundliche Zukunft.

VIEL HOLZ

Bei der Realisierung des Erweiterungsbaus kam hauptsächlich der Baustoff Holz zum Einsatz, da dieser CO2 bindet und somit das Treibhauspotenzial des Gebäudes auf ein Mindestmaß reduziert. Zudem ersetzt Holz andere Stoffe, wie Beton und Kunststoff. Es reguliert die Luftfeuchtigkeit, ist für Allergiker und Asthmatiker gesundheits­fördernd und strahlt im Winter Wärme und im Sommer Kühle aus. Bei dem Erweiterungsbau wurden 1.200 Kubikmeter zertifiziertes Fichtenholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verbaut. Die rund 10.000 Holzbauelemente – inklusive der Fassadenteile aus naturbelassenem Lärchenholz – wurden im Werk vorgefertigt und für den Neubau montiert. Durch die Verwendung von Holzelementen können Innenwände relativ einfach versetzt werden, dies ermöglicht eine flexible Raumgestaltung. Entstanden sind ca. 300 Lernplätze für Studierende in verschiedenen Variationen, neun Seminarräume, die mehrgeschossige Bibliothek, das Café mit Lounge-Bereich, ein Veranstaltungsraum für bis zu 350 Personen sowie fünf Büroflure mit etwa 100 Arbeitsplätzen.


UMFANGREICHER ZERTIFIZIERUNGSPROZESS

Das Holzhybrid-Erweiterungsgebäude der Universität Witten/Herdecke wurde offiziell 2022 für seine Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Eine entsprechende Plakette wurde der Hochschule übergeben und ist im Eingangsbereich des neuen Gebäudes zu sehen. Ein vergleichbares Holzhybridgebäude dieser Größe sucht man in Deutschland (noch) vergebens. „Wir sind eine nachhaltige Universität in Lehre und Forschung. Nun freuen wir uns, dass dies alles auch in diesem einmaligen, neuen und als nachhaltig zertifizierten Gebäude stattfindet, das darüber hinaus Impulse am Standort setzt und im positiven Sinn zum Nachahmen motiviert“, sagt Präsident der Universität Prof. Dr. Martin Butzlaff. „Und mit diesem Nachhaltigkeitsgedanken sind wir zum Glück nicht allein. Ob aus der Politik oder dem Bauwesen – wir werden regelmäßig auf dieses Projekt angesprochen, weil das Interesse am nachhaltigen Bauen und Bauen mit Holz so groß ist“, ergänzt Kanzler Dr. Jan Peter Nonnenkamp. „Wir sind stolz, dass das von uns errichtete Gebäude die anspruchsvollen Kriterien der BNB-Zertifizierung erfolgreich erreicht hat. Für das Zertifizierungsverfahrens haben wir umfangreiche Unterlagen erarbeitet und eingereicht, damit die Prüfungsstelle alle zu bewertenden Faktoren untersuchen kann. Da die BNB-Kriterien vor wenigen Jahren noch einmal verschärft wurden, war das für uns eines der ersten Projekte nach den neuen Vorgaben in dieser Kategorie“, erklärt Simon Pfeffer, Technischer Bereichsleiter bei ZÜBLIN Timber, über die herausfordernden Monate im Anschluss an die Einweihung des Uni-Neubaus.

Projektinformationen

Objekt: Erweiterungsbau Universität Witten/Herdecke

Architekten: Kaden+Lager, Berlin

Getrennte Büros seit Januar 2022:

Kaden+, Berlin
(www.kadenplus.de)

LAGERSCHWERTFEGER, Berlin
(www.lagerschwertfeger.de)

Fotos: Bengt Stiller/Johannes Buldmann


U.A. BETEILIGTE FIRMEN

Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Markus Thöle
D-58454 Witten

ZÜBLIN Timber GmbH
D-86551 Aichach